Retrospektiven

von Carola Moresche am 16. Juni 2015

„Hinterher weiß man immer mehr“ – das gilt auch für Projekte. Und obwohl ein Projekt als neuartiges Vorhaben definiert ist, kann der Erfahrungsschatz aus vorangegangenen, ähnlichen Projekten genutzt werden, um zukünftige Projekte besser zu planen und zu steuern. Im agilen Projektmanagement wendet man dazu Retrospektiven an.

Wie in den zwölf Prinzipien des Agilen Manifests verankert, „reflektiert das Team in regelmäßigen Abständen, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an“. Im Scrum-Ansatz findet dies im Rahmen von Retrospektiven („Rückblicke“) statt, die nach der Fertigstellung einer Iteration bzw. eines Sprints erfolgen. Diese Meetings sollten in möglichst großem Kreis stattfinden, um möglichst viele Perspektiven auf das Projekt zusammenzubringen und möglichst viele Meinungen einzuholen. Nur wenn bereits vorab thematisch eingrenzbare Probleme bekannt sind, empfiehlt es sich, den Teilnehmerkreis entsprechend einzuschränken. Auch Stakeholder sollten nur in Ausnahmefällen dazu gebeten werden, damit der Austausch im Team möglichst ungefiltert stattfinden kann.

Ziele einer Retrospektive

Ziel einer Retrospektive ist es, aus dem Geschehenen für die Zukunft zu lernen. Dabei liegt der Fokus auf dem Team und seiner Zusammenarbeit. Wichtige Fragen sind dabei:

  • Wie gut klappt die Zusammenarbeit?
  • Wie ist die „Chemie“ im Team?
  • Wo gibt es Verbesserungspotenzial?

Hier findet sich in den meisten Fällen Verbesserungspotenzial. Damit die bisherige Teamdynamik offen und vorwurfsfrei diskutiert werden kann, müssen sich die Beteiligten ohne Angst vor negativen Konsequenzen ehrlich austauschen können. Vertrauen ist also eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Retrospektive. Es geht nicht darum, den Teammitgliedern ihre Fehler vorzuwerfen, sondern Verbesserungsmöglichkeiten für die Zukunft aufzuzeigen. Es wird also gefragt, warum etwas so passiert ist und wie man es in Zukunft besser machen kann. Idealerweise werden auch gleich Lösungsvorschläge ausgearbeitet. Doch eine Retrospektive soll auch das Positive im Projekt aufzeigen, die Erfolge. Es soll also auch darum gehen, was gut gelungen ist und was man für künftige Projekte unbedingt beibehalten sollte.

Ablauf

Retrospektiven werden nicht nur nach Projektabschluss abgehalten, sondern auch regelmäßig im laufenden Projekt. Für eine Retrospektive wird vorab immer ein Zeitrahmen („timebox“) gesteckt. Die Retrospektive dauert 45 Minuten je Sprintwoche, die zu besprechen ist. Wichtig ist, dass die Besprechung von einem neutralen Moderator oder Scrum Master moderiert wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Person intern rekrutiert oder von extern hinzuzieht.

Laut Esther Derby und Diana Larsen besteht eine Retrospektive aus fünf Phasen.

  1. Set the stage

In dieser Phase geht es um die Einstimmung der Teilnehmer auf die Retrospektive. Hier sollte man auch die Gelegenheit nutzen, die Retrospektive im Projektverlauf zu verorten (Beispiel: „Dies ist die dritte von zehn Retrospektiven, bis zum Projektabschluss sind es noch 4 Monate…“ etc.).

  1. Gather data

Hier geht es um die Datensammlung, d.h. es wird ein Überblick über die Vorgänge in der vorangegangenen Iteration geboten.

  1. Generate insights

Aus den Vorkommnissen des vorherigen Zeitraums werden dann Schlussfolgerungen gezogen und Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet.

  1. Decide what to do

Aus den in Punkt 3 generierten Vorschlägen wird eine Auswahl getroffen und beschlossen, wer sich dieser Aufgaben annehmen soll.

  1. Close the retrospective

Diese Phase stellt den Abschluss der Retrospektive dar und enthält idealerweise eine Zusammenfassung

Verwandte Begriffe

Mit der Retrospektive verwandte Begriffe sind unter anderem „Lessons Learned” und „Projektaudit”. Doch sie bezeichnen nicht dasselbe Konzept, sondern drei verschiedene Vorgehensweisen.

Lessons Learned ist ein Begriff aus dem klassischen Projektmanagement und bedeutet übersetzt so viel wie gelernte Lektionen. Die Lessons Learned ermittelt man jedoch am Projektende im Hinblick auf kommende, ähnliche Projekte. Allerdings ändern sich von Projekt zu Projekt die Rahmenbedingungen und das Team meist so stark, dass die Lessons Learned aus vorangegangenen Projekten stark an Aussagekraft verlieren.

Ein Projektaudit hingegen wird noch während des laufenden Projekts durchgeführt. Es ist als Inspektion oder Kontrolle des Projekts zu verstehen und wird deshalb meist durchgeführt, wenn sich bereits eine Projektkrise abzeichnet. Ein Projektaudit wird von einer neutralen, externen Instanz durchgeführt.

Tipps

Aus einer Retrospektive soll ein Team im Idealfall gestärkt hervorgehen und die Zusammenarbeit noch besser funktionieren als zuvor. Deshalb sollte der Scrum Master darauf achten, dass sich alle Teammitglieder aktiv daran beteiligen. Methoden, um die Stimmung aufzulockern, sind vielfältig, gute Beispiele gibt es hier und hier.

Vorheriger Post:

Nächster Post: